Wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 18.08.2020 urteilte, kann es auch weiterhin illegal sein, Nahrungsmittel aus Supermarktmülleimern zu fischen; das sogenannte Containern.

So weit, so korrekt. Korrekt zumindest im Sinne des Gesetzes. Vor dem Gesetz bleibt nämlich der Supermarkt, auch, wenn er die Lebensmittel wegen überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdatums weggeworfen hat, weiterhin der Eigentümer und ist nach wie vor unter Umständen entsprechend haftungsrechtlich für diese verantwortlich. So steht es auch in der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe.

Es ist Recht, aber ist es auch recht?

Nun, es ist schon in Ordnung und auch sehr wichtig, dass das Gericht seine Arbeit ernst nimmt und ordentlich macht. Rechtlich ist das Urteil wohl völlig in Ordnung (ich bin immerhin kein Jurist und gehe nur von dem aus, was ich da lese und verstehe), auch, wenn das menschlich kaum nachvollziehbar ist und mich mit einem mulmigen Gefühl in der Bauchgegend zurücklässt.

Die Judikative hat ihren Teil gemacht. Jetzt ist die Legislative dran. In einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland sollte das Containern nicht illegal sein. Es geht uns gut genug, dass wir auch an die Mitglieder der Gesellschaft denken können und sollten, die weniger Glück haben. Auch, wenn ein Supermarkt abgelaufene Lebensmittel so nicht mehr verkaufen kann, sind diese noch lange nicht tatsächlich schlecht und ungenießbar. Sie könnten oft problemlos noch einige Tage später verzehrt werden.

Die Deutschen Mühlen mahlen langsam!

Machen wir uns nichts vor; bis der Staat hier eingreift, wird viel Zeit vergehen, denn unsere Mühlen mahlen sehr langsam, gerade, wenn es um sinnvolle und gute Dinge geht. Zu verlieren hätte der Staat hier nichts, er könnte allerdings sehr viel gewinnen, nämlich die Dankbarkeit und Achtung derer, die sich Lebensmittel oft nicht oder nur schwer leisten können.

Und er wäre in guter Gesellschaft, denn in vielen Ländern ist das Containern nicht verboten. So ist in Österreich zum Beispiel Weggeworfenes grundsätzlich nicht mehr Eigentum des Wegwerfenden, die Entnahme von Lebensmitteln aus Containern somit kein Diebstahl. Ähnlich sehen das die Schweiz und Kanada. Solange für das Containern kein Schloss aufgebrochen werden oder kein anderes Gesetz gebrochen werden muss (Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, etc.), ist Containern in diesen Ländern legal.

Versuche, dies auch in Deutschland umzusetzen, scheiterten bislang unter Anderem auch daran, dass entsprechende Vorschläge keine Mehrheit bei den Justizministern der Bundesländer fanden. Eine Lösung wird hier nicht schnell zu finden sein, dafür mahlen die Deutschen Mühlen zu langsam.

Märkte könnten das Problem einfach lösen – wenn sie wollen!

Bis der Gesetzgeber hier zur Vernunft kommt, könnten Supermärkte das Problem sehr einfach selbst lösen. Einfache Schritte, hier Abhilfe zu schaffen, wären:

  • Müllcontainer, in denen Lebensmittel landen, nicht mehr abschließen und leicht zugänglich aufstellen, so dass kein Gesetz gebrochen werden muss, um an die Lebensmittel zu gelangen.
  • Ein simples Schild mit der Aufschrift “Containern ausdrücklich gestattet. Wir nehmen Abstand von unserem Eigentumsrecht am Inhalt dieser Mülltonne.” auf den jeweiligen genutzten Tonnen wäre bereits genug, um das Herausnehmen weggeworfener Lebensmittel aus diesen Tonnen zu legitimieren.

In Deutschland landen nach Meldungen aus 2019 rund 18 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich auf dem Müll. Lebensmittel, die von Supermärkten weggeworfen werden, weil sie Druckstellen haben oder knapp über dem Mindesthaltbarkeitsdatum liegen, sind häufig noch ohne Geschmackseinbußen und Gesundheitsrisiken genießbar.

Daher rufe ich hiermit Supermärkte dazu auf, Herz zu zeigen. Wenn schon nicht, weil sie auch tatsächlich eine soziale Ader haben, dann zumindest, weil sie sich mit der Nichtbeachtung dieser Schieflage selbst ins eigene Fleisch schneiden. Jeder Supermarkt, der jetzt ein solches Schild an seinen Tonnen anbringt und die Tonnen zugänglich aufstellt, würde im Handumdrehen in den Sozialen Medien gefeiert werden. Zu verlieren hätte er nichts; gewinnen könnte man Respekt, Hochachtung und kostenlose Werbung. Überlegt es Euch.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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