Nachdem wir neulich erst noch über Die Mutigen von Twitter sprachen, sind heute die Wissenden dran. Twitter ist großartig. Jeder – und wirklich JEDER! – hat die Möglichkeit, in 280 Zeichen die Welt an seiner Meinung teilhaben zu lassen. So gut, wichtig und schützenswert die freie Meinung und jede Plattform sind, die Menschen genau dies erleichtert, so gefährlich kann dies auch sein. Denn eine inhaltliche, faktische Prüfung findet nicht statt, was ja auch im Sinne der freien Meinungsäußerung ist; allerdings glauben viele Menschen auch unbesehen und ohne eigene Prüfung einfach das, was vermeintlich Wissende im Netz als bare Münze hinstellen. Und genau hier fängt das Problem an.

Es ist gut, richtig und schützenswert, dass jeder seine Meinung frei und ohne Einschränkung kundtun darf. Das sieht ja auch unser Grundgesetz so und stellt die Meinungsfreiheit bereits sehr weit vorne im Gesetzestext als geschütztes Gut klar. Leider führt dies in schnelllebigen Zeiten wie unseren und dank der Tatsache, dass es dank Plattform wie Twitter, Facebook, Instagram und co. noch nie so einfach war, seine Meinung einem größeren Publikum zu unterbreiten, wie heute, schnell dazu, dass Menschen unbesehen und ungeprüft Aussagen teilen und weiter verbreiten. Aussagen, die oftmals unzureichend recherchiert sind, nur die halbe Wahrheit widerspiegeln oder oft auch schlicht und ergreift komplett falsch sind. Wer sich dabei halbwegs eloquent zu geben versteht, ist mitunter schon einmal schnell als Experte auf dem Gebiet missverstanden, obwohl keinerlei echte Expertise vorliegt. Oft ist man sich dieser Tatsache gar nicht bewusst. Leider ebenso oft nutzen allerdings Menschen genau diesen Umstand aus und verbreiten so Unwissenheit, Halbwissen und gefährliche, sogenannte #Fakenews, um die Diskussion und die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu steuern.

Neben diesen “professionellen” Wissenden auf Twitter gibt es allerdings noch eine andere, sehr viel nervigere Gattung: die Social Justice Warrior.

Toleranz haben sie sich oftmals auf die Fahnen geschrieben. Zumindest all jenen gegenüber, die entweder ohnehin bereits mit ihren Ansichten übereinstimmen und mit Glück noch jenen gegenüber, die potentiell für ihre Sache zu gewinnen sind. Kritiker und Gegner wiederum werden gnadenlos verbissen und mit allen Mittel schlecht geredet, verleumdet und bekämpft. Denn Toleranz, so erklären sie einem dann gerne, verdient nicht jede Meinung oder Ansicht. Die Toleranz der Toleranten ist oftmals nur eine Fassade und leider nur eines: scheinheilig.

Dabei kann diese vermeintliche Toleranz auch schnell gefährlich werden und dazu führen, dass Menschen bedroht werden, ihren Job verlieren oder in ihrem sozialen Status innerhalb ihrer Umgebung herabgewürdigt werden. Ob das, was über sie geschrieben wurde, wahr ist oder nicht, ist schlicht irrelevant. Auch eine weitere, inhaltliche Prüfung findet in der Regel nicht statt. Wenn ein hinreichend bekannter Twitterer über einen anderen Twitterer sagt, dieser sei ein Mobber, wird dies ungeprüft von der Gefolgschaft des ersten Twitterers angenommen und verbreitet. Dies treibt mitunter erschreckende Blüten, bis hin zu einem “Trauschauwem!” Effekt: Twitterer fragen andere Twitterer, was Ihnen denn bitte einfiele, BöserPerson716 zu folgen, sie zu retweeten oder deren Tweets zu faven.

Heutzutage ist nicht nur darauf zu achten, was man selbst schreibt. Nein, viel wichtiger ist an sich noch, wem man folgt, wen man retweetet oder wessen Tweets man favt. Manch Twitterer macht sich da richtig Mühe und durchforstet akribisch halb Twitter, um sicherzugehen, in bester Blockwartmanier auch ja alle potentiell kritischen Aktionen dokumentiert zu haben. Ob der böse Twitterer dabei nun ständig fragwürdigen Content produziert oder oft auch völlig unkritische Tweets darunter sind, ist Nebensache, belanglos und interessiert letztlich auch gar nicht. Wichtig und interessant sind nur skandalträchtiger Content und, dass man auf der richtigen Seite steht.

Herzlichen Glückwunsch, Twitterer. Ihr seid der Inbegriff der modernen Boulevardpresse. Inhalt und Fakten stören dabei ja auch nur, stimmt schon.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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