Das Internet ist eine großartige Sache. Man kann dort simpel und bequem Dinge kaufen, aber auch verkaufen. Nicht nur via eBay oder eBay Kleinanzeigen, nein, auch bei Facebook kann man Dinge verkaufen im sogenannten Marketplace.

Wer nicht aufpasst und leichtgläubig ist, kann unter Umständen schnell Betrügern aufsitzen. Ein Beispiel dafür habe ich seit heute aus eigener Erfahrung auf Lager. Eigentlich begann alles recht unspektakulär. Ich wollte eine meiner Gitarren verkaufen, also habe ich sie bei eBay Kleinanzeigen und Facebook Marketplace eingestellt.

Ab hier kam dann Jean-manuel Thv ins Spiel. Er wollte gerne, dass ich ihm eine Privatnachricht schreibe. Das allein ist bereits ein erstes Anzeichen dafür, dass etwas seltsam ist. Diese Marketplace-Listings bieten in sich bereits die Möglichkeit, den Verkäufer zu kontaktieren. Den Verkäufer zu bitten, den Kontakt aufzunehmen, ist daher zumindest mal unnötig und ein erstes Anzeichen dafür, dass hier Vorsicht anzuraten ist.

Da man natürlich aber auch immer vom DAU ausgehen muss, der Facebook gerade mal fehlerfrei aufrufen kann, aber ansonsten nicht besonders versiert in der Nutzung von Onlinetools jeglicher Art ist, bin ich dem trotzdem nachgekommen. Ich mochte ja gerne meine Gitarre verkaufen und Jean-manuel Thv wollte sie ganz offensichtlich kaufen. Ich schrieb ihm also eine Privatnachricht und wir einigten uns schnell darauf, dass er die Gitarre gern haben wollte. Alles gut, könnte man meinen. Die Anzeige gab klar an, dass ein Versand meinerseits nicht möglich ist und ich die Gitarre daher nur zur Abholung anbiete. Jean-manuel Thv wiederum ist mit der Arbeit sehr beschäftigt (wir werden später noch lernen, dass er nämlich Polizeikommissar ist) und kann daher nicht zur Abholung vorbeikommen, er werde daher einen “Colissimo-Faktor” vorbeischicken.

So weit, so gut. Man kann ja nicht jeden Paketservice kennen und insbesondere die in Frankreich evtl. gebräuchlichen Dienste sind mir als Deutschem in der Regel erst einmal so nicht bekannt. Also bemühte ich Google und siehe da, colissimo scheint ein valider, existierender Service der französischen Post zu sein. Skepsis machte sich breit, aber ich war immer noch bereit, den Verkauf durchzuziehen. Wie der Mann nun an seine Gitarre und ich an mein Geld kam, war mir ja per se erstmal recht egal, solange Letzteres definitiv geschähe. Also gab ich ihm meine Adresse, diese würde er benötigen, um den Abholungsvorgang in die Wege zu leiten. So weit, so logisch. Weitere Skepsis schlich sich allerdings ein, als er erwähnte, es fielen Versicherungskosten für den Umschlag an, die ich bezahlen müsse. Ich müsse mir aber hierüber keine Sorgen machen, er würde diese einfach dem Umschlag hinzufügen, damit ich nichts verlöre.

Das machte zwar schon keinen besonders seriösen Eindruck mehr, aber noch war ich bereit, mir anzuhören und anzuschauen, wie das ablaufen sollte. Ab hier folgten allerdings klare Anzeichen, dass hier ein Betrugsversuch vorlag. Colissimo, als offizielles und seriöses Angebot der französischen Post würde ja sicherlich ein seriöses System nebst eigener Domain und vernünftig aufgebauter Mail haben und einsetzen. So war zumindest meine Erwartung. Was ich bekam, flößte nun allerdings nur bedingt Vertrauen in die Seriosität der ganzen Sache ein:

Von einem offiziellen Service der französischen Post würde ich durchaus erwarten, dass er eine eigene Domain hat und von dort aus Mails versendet, zumindest aber, dass Mails von colissimo von laposte.fr kommen und nicht von einer Gmail Adresse. Zudem folgt die Gestaltung der Mail auch mitnichten der colissimo/La Poste CI, was ebenfalls stutzig macht. Eine seriöse Firma bzw. Dienstleistung wie colissimo/La Poste würde hier nichts dem Zufall überlassen und in ihren Mails ebenfalls der offiziellen CI folgen. Zudem traue ich der französischen Post, sofern sie Dienste im Ausland anbietet und diese dann auch in der jeweiligen Landessprache bereitstellt, durchaus zu, deutlich bessere Übersetzer für ihre automatischen Mails angestellt zu haben.

Nun, natürlich muss ein Versand wie dieser versichert sein. Während Jean-manuel Thv die Versandkosten selbst offenbar vorab übernehmen kann, so ist dies anscheinend mit den Versicherungskosten nicht möglich. Diese müsse ich vorab tragen, aber keine Sorge: der Umschlag, mit dem der Kurier von colissimo dann kommt, enthielte diese zusätzlichen 100€ ja, ich verlöre also nichts. Zahlen könne ich diese 100€ indes sehr simpel, dies wird in der überaus seriös wirkenden Mail von colissimoservicelivraision@gmail.com auch sehr verständlich erklärt.

Im Folgenden wies mich colissimo dann noch darauf hin, dass die Zahlung zwingend und erforderlich über eine “PCS Aufladung” erfolgen müsse. Natürlich war mir spätestens jetzt klar, dass hier jemand versucht, mich übers Ohr zu hauen.

Also stellte ich Jean-manuel Thv ein paar Fragen, um aufzuklären, was hier vor sich ging.

Selbstverständlich sei dies alles hochseriös und ich hätte nichts zu befürchten. Er würde doch die 100€ extra mit in den Umschlag stecken, so dass ich dann, wenn der Kurier zur Abholung der Gitarre käme, meine eingesetzten 100€ zurückbekäme und alles seine Richtigkeit hätte.

Da ich ihm nun natürlich mitteilte, dass wir so nicht ins Geschäft kämen, war es an der Zeit für ihn, härtere Geschütze aufzufahren. Er habe den Vorgang ja schon gestartet und colissimo habe ihn darüber informiert, dass dieser jetzt auch nicht mehr gestoppt werden könne. Es könne gar ein rechtliches Verfahren gegen mich eingeleitet werden, weswegen er mich doch bitten würde, alles Notwendige zu tun, um diese Transaktion zu den besten Bedingungen abzuschließen.

Dieser Bitte wollte ich aus nachvollziehbaren und offenkundigen Gründen allerdings so gar nicht nachkommen und habe ihm dies auch mitgeteilt. Zudem wurde das Ganze langsam müßig und das Spiel verlor seinen Reiz. Entsprechend teilte ich ihm auch mit, dass ich nicht leichtgläubig genug für seinen Scam sei und ihn auch gemeldet hätte. Das stimmt auch. Ich habe seinen Account Facebook gemeldet. Natürlich wird Facebook genau nichts unternehmen, machen wir uns nichts vor. Das weiß Jean-manuel Thv auch, denn jetzt fährt er zur Höchstform auf.

Spannend ist, dass er mir die durch ihn getätigte versuchte Gelderpressung anlasten möchte. Ich wollte lediglich eine Gitarre verkaufen. Wäre er zu mir gekommen und hätte mir 110€ in die Hand gedrückt, hätte ich ihm die Gitarre in die Hand gedrückt und alles wäre erledigt gewesen. Natürlich hatte er nie im Sinn, eine Gitarre zu kaufen. Er wollte ganz gern Geld von leichtgläubigen Deppen abgreifen und geriet dabei nun leider mit mir an den falschen Adressaten.

Sollte ich nicht binnen 20 Stunden “das Notwendige” getan haben, so drohten mir eine Geldstrafe von 150.000€ sowie 10 Jahre Freiheitsstrafe. Sofern ich also nicht “das Notwendige” täte, wäre er gar verpflichtet, “einen Handlauf gegen mich zu erheben” und zwar “mit die Behörden“! Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen hatte colissimo auch, sehr convenient und zeitlich passend für den Herrn Jean-manuel Thv, ihrerseits nochmals darauf hingewiesen, was so alles passieren könne, würde ich nicht “das Notwendige” tun. Selbstverständlich war auch diese Mail hochprofessionell, maximalst seriös und über jeden Zweifel erhaben:

Am Schönsten finde ich, dass die Verhaftung von colissimos Sicherheitsdienst durchgeführt werden wird. Das zeugt von absoluter Seriosität und wie jeder weiß, sind die Sicherheitsdienste französischer Postservices natürlich mit weitreichenden und umfangreichen, polizeilichen Befugnissen in vielen Ländern dieser Erde ausgestattet. Und wem würde bei der Androhung einer Mandel von 150 000,00€ nicht sofort bewusst, dass es sich hierbei um einen absolut seriösen Vorgang handelte?

In der Zwischenzeit hatte ich mir alles zurechtgelegt und eine Online-Strafanzeige gestellt. Selbstverständlich habe ich Herrn Jean-manuel Thv darauf auch hingewiesen. Im Nachhinein ist mir jetzt allerdings doch ein wenig Angst und Bange, immerhin ist er doch Polizeikommissar.

Ich glaube natürlich nicht, dass hier noch sonderlich viel passieren wird. Die deutsche Polizei wird Herrn Jean-manuel Thv vielleicht sogar überprüfen. Das wird natürlich zu nichts führen und die Anzeige wird irgendwann wegen Mangel an öffentlichem Interesse fallengelassen werden.

Gestellt habe ich sie natürlich dennoch.

Ich möchte an dieser Stelle im Übrigen ganz klar und deutlich sagen:

Es wäre jetzt natürlich nicht anzuraten, Herrn Jean-manuel Thv auf Facebook zu überprüfen. Auch wäre es sicher absolut keine gute Idee, colissimoservicelivraision@gmail.com einen guten Morgen zu wünschen oder Gmail/Google zu fragen, was sie von deren Umtrieben halten. Ich rate davon quasi ausdrücklich ab.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

Ein Gedanke zu „Augen auf beim Internet(ver)kauf“
  1. Just in diesem Augenblick hatte ich einen eben solchen Fall. Misstrauisch geworden stellte ich Recherche an. Habe die gute Dame (bei mir war es eine Dame) sofort kontaktiert, ihr den betrug auf den Kopf zugesagt und sie anschließend sofort blockiert. Ebenso habe ich beim e-mail Anbieter die e-mail Adresse blockiert. Mir ist auch sofort das merkwürdige deutsch aufgefallen – es handelte sich bei dem Account um eine Dame mit einem französischen Namen.
    Fazit: Man kann nicht vorsichtig genug sein, aber diese Masche ist so offensichtlich daneben, man kann sich kaum vorstellen, dass die damit jemals durchkommen könnten. Angezeigt habe ich das nicht – nur alles blockiert.
    Grüße Brigitte

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