Wie zahlreiche Medien heute berichten, wie hier zum Beispiel die WELT, kam es in den USA erneut zu einem Vorfall, bei dem ein Schwarzer von Polizisten angeschossen wurde.

Natürlich wimmelt es auf Twitter wieder von Fachmännern und Experten, die allesamt genau wissen, wie es war, was besser hätte laufen können und wem für das Ganze nun die Schuld zu geben sei. Fakt ist: auch ich habe dazu eine Meinung und halte mit dieser nicht hinter dem Berg, ich bin allerdings weder Polizist, noch habe ich tiefergehende Kenntnisse in Polizeitaktik und Kriminalitätsbekämpfung, die über das Anschauen von Filmen und TV Serien hinausginge.

Ich bemühe mich allerdings in der Regel, Dinge nüchtern und objektiv zu betrachten und würde mir wünschen, dass ich damit nicht so allein auf weiter Flur stünde. Ich möchte an dieser Stelle nun einige der Argumente aufgreifen, die mir heute bereits im Verlauf verschiedener Diskussionen entgegnet wurden.

Er hätte sich einfach nicht widersetzen dürfen!

Richtig. Grundsätzlich ist der richtige, vernünftige und sicherste Weg, aus einer solchen Konfrontation unbeschadet herauszukommen, mit Sicherheit der, erstmal allen Anweisungen der Polizei Folge zu leisten. Insbesondere in den USA, wo es grundsätzlich eher nicht besonders schwierig ist, Polizist zu werden und wo die Ausbildung doch eher zu wünschen übrig lässt. Die Cowboy- oder Rambo-Mentalität US-amerikanischer Cops ist ja nun wirklich nichts Unbekanntes und zu einem großen Teil verantwortlich für die Misere, in der wir uns aktuell befinden. Eine vernünftige Ausbildung, wie z.B. bei Deutschen Polizisten, könnte hier schon viel helfen.

So einfach ist es jedoch nicht. Man kann es nicht leugnen, in den USA ist es sehr viel wahrscheinlicher, aus einer Konfrontation mit der Polizei nicht unbeschadet herauszukommen, wenn man schwarz ist, als wenn man weiß wäre. Das wissen Schwarze natürlich auch und entsprechend unruhig und besorgt geht man als Schwarzer dann auch in eine solche Situation hinein. Das ist völlig verständlich und normal. Es ist demnach zwar richtig: er hätte sich nicht widersetzen sollen; das war der erste, eklatante Fehler in der gesamten Situation. Allerdings ist, gerade im Verlauf der letzten Monate nach George Floyd, zumindest einmal verständlich, warum sich Jacob Blake in seinem Auto eventuell sicherer fühlte und da unbedingt hin wollte.

Er hätte ja eine Waffe im Auto haben können!

Richtig. Er hätte im Auto eine einsatzbereite Waffe haben können. Gerade in den USA, wo man oftmals völlig legal und problemlos im nächsten Supermarkt eine scharfe Waffe erwerben kann und diese dann in vielen Fällen auch legal mit sich führen darf, ist es nicht unwahrscheinlich, dass jemand eine Waffe dabei hat. Das Risiko, dass Jacob Blake also eine Waffe im Auto hatte, ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch bleibt die Frage nach dem “probable cause“. Rechtfertigt das Risiko, dass er eine Waffe im Auto haben könnte, ihm 7 Mal in den Rücken zu schießen? Hätte es mildere Mittel gegeben?

Die Antworten hierauf sind aus meiner Sicht simpel:

Nein, dieses Risko rechtfertigt keine 7 Schüsse in den Rücken.
Ja, es hätte mildere Mittel gegeben.

Ich bin der Letzte, der Polizeibeamten absprechen möchte, auf Eigensicherung zu achten. Im Gegenteil: Eigensicherung geht vor, immer und zu jedem Zeitpunkt. Dennoch hätte es mildere Mittel gegeben, die nach den mir zur Verfügung stehenden Informationen allesamt nicht angewendet wurden:

  • Sie hätten sogenannte Less Lethal Methods anwenden können. Zum Beispiel den Taser. Da sich Blake den Aufforderungen der Beamten widersetzt hat, wäre der Einsatz des Tasers gerechtfertigt gewesen, um ihn von der weiteren potentiellen Flucht abzuhalten.
  • Sie hätten ihn gar nicht erst zur Autotür gelangen lassen dürfen. Als klar war, was er vorhatte, hätten sie ihn zu Boden bringen und fixieren können. Der Schusswaffengebrauch wäre somit nicht länger notwendig gewesen.

Der Mann war vorbestraft!

Eigentlich ist es ganz einfach. Auch ein Vorbestrafter hat nicht einfach vorsichtshalber mal erschossen zu werden, sondern muss schon erst eine objektiv und reell gefährdende Handlung vollziehen oder andeuten, um den Schusswaffengebrauch zu rechtfertigen. Es stimmt schon, Jacob Blake war einschlägig bekannt und vorbestraft; unter Anderem war er auch als “cop attacker” bekannt. Im zur Verfügung stehenden Videomaterial jedoch ist nicht eindeutig zu erkennen, was er da im Auto tut, bevor die beiden Cops 7 Schüsse auf seinen Rücken abgeben.

Aus der Ferne sagt sich Vieles leicht…

Niemand von uns war vor Ort. Und wie so häufig, so auch hier: wir sehen in der Regel immer nur einen kurzen Ausschnitt aus nur einer Perspektive und bilden uns daraufhin eine Meinung. Wir haben nicht alle nötigen Informationen und Blickwinkel. Wir wissen nicht genau, was 3-5 Minuten vor dem Videoausschnitt geschah.

Es ist im Nachhinein immer einfach, aus der Ferne zu urteilen. In der Sicherheit meiner eigenen vier Wände kann ich einfach darüber urteilen, ob die Cops korrekt gehandelt haben oder nicht. Ich war nicht in ihrer Situation, ich steckte nicht in ihrer Haut und ich war nicht in potentieller Gefahr.

Nach den mir aktuell zur Verfügung stehenden Informationen allerdings und in dem Wissen, dass Schwarze in den USA weitaus häufiger Opfer ungerechtfertigter Gewalt werden als Angehöriger anderer Ethnien, habe ich eine klare Tendenz. Wie bereits angemerkt, hätten den Cops weitaus mildere Mittel zur Verfügung gestanden und bei 7 Schüssen in den Rücken, aus nächster Nähe obendrein, kann man beim besten Willen auch nicht mehr davon sprechen, sie hätten Gefahr von sich und anderen abwenden wollen.

Erst Ermittlungen werden zeigen, was wirklich geschah

Wie immer: selbstverständlich sind die Ermittlungen abzuwarten. Wer weiß, ich kann und will nicht ausschließen, dass Blake eine Waffe hatte und nach dieser griff. Ich wüsste zwar anhand des Videomaterials nicht, wie die Beamten das hätten sehen sollen, aber unmöglich ist es nicht.

Wenn dieser Vorfall und all jene, die vor ihm kamen, eines zeigen, dann allerdings, dass es endlich einer Reform des US-Amerikanischen Polizeisystems bedarf. Defund the police ist NICHT die Antwort, im Gegenteil. Die Polizei muss besser ausgebildet werden; nicht in 19-wöchigen Lehrgängen, sondern in einer vernünftigen Ausbildung mit vernünftigem Examen und Überprüfung der Eignung. Auch muss die Polizei besser und mit mehr Optionen ausgerüstet werden. In vielen Städten müssen Polizisten große Teile ihrer Ausrüstung selbst bezahlen. Das darf nicht so bleiben. Schutzausrüstung, Waffen, aber eben auch less- oder non-lethal weapons wie Taser, Reizgas und co. müssen vom Dienstherrn gestellt werden. Landesweit und überall. Es müssen, auch nach abgeschlossener Ausbildung, Lehrgänge mit geschulten und qualifizierten Ausbildern stattfinden zu den Themen Deeskalation und Einsatz nicht-letaler Methoden zur Entwaffnung, Ruhigstellung und Fixierung von Angreifern. Auch diese dürfen nicht von den Beamten selbst bezahlt werden müssen.

Dafür braucht die Polizei Funds. Die Polizei zu defunden wäre daher schädlich. Diese Funds müssen allerdings besser und bedachter eingesetzt werden. Damit aus “beat and shoot” wieder “serve and protect” werden kann.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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